„Texten ist Geschichten erzählen“
„Texten braucht Zeit. Also den Text ruhig erst mal liegen lassen“, meint sie und weiß noch nicht, dass sie mich damit am nächsten Tag ganz schön in die Bredouille bringt, will ich doch möglichst rasch darüber berichten, dass es sich lohnt, ein Seminar des Landesverbandes für sich zu nutzen, also möglichst rasch in die Tasten greife, um verbandsinterne Werbung nicht lange auf sich warten zu lassen. So, liebe Antje K. Müller, mit diesem schrecklichen Schachtelsatz müssen Sie jetzt leben. Auch wenn Sie beim Workshop in Seminarform gezeigt haben, wie es besser geht: Kurz und prägnant soll das „Texten zum Bild“ sein. Knackig könnte es auch salopp genannt werden. Die Zuschauer (und Zuschauerinnen spare ich mir der Kürze wegen) wollen nicht gequält werden. Sie erwarten Unterhaltsames. Auch der Bereich Information darf dabei nicht trocken geraten, soll lebendig präsentiert werden.
„Sprechsprache statt Schreibsprache“ nennt es die – ja was eigentlich? Dozentin, Referentin, Redakteurin beim SWR mit Schwerpunkt „Treffpunkt“, Fachfrau eben. Eine durch und durch sympathische Person, die kalt lächelnd das Blut in so manchem „Kameramann“ gefrieren lässt. Stellt sie sich doch hin und erklärt: „Ein schlechtes Bild nehmen Zuschauer in Kauf. Schlechten Text ertragen sie kaum.“ Punkt. Aus. Wer wagt da Gegenrede? Niemand, weil sie recht hat. Diese Einsicht wächst im Verlauf des jüngsten Seminars des Landesverbands der Film-Autoren Baden-Württemberg. Proppenvoll ist der Saal im Kultur- und Kongresszentrum in Kornwestheim und das Organisationsteam um Jörg Ruckteschler von den Kornwestheimer Film-Amateuren e.V. stellt wieder einmal seine Gastfreundschaft unter Beweis. Alles klappt und auch die Tontechnik wird mit der Zeit gemeistert. Aus der großen Zuhörerschar kommen ungeniert Zwischenfragen, die souverän beantwortet werden. Schade eigentlich, dass es nicht doch ein Workshop ist, der dafür mehr Raum geben könnte.
Auf ihre Kosten kommen die Besucher durchaus. Die Besucherinnen sind noch immer dabei, werden aber der Textflüssigkeit geopfert. Alle miteinander bekommen zwar manches Vertraute zu hören, sollten es aber auch umsetzen: Texten ist Geschichten erzählen“, versichert Antje K. Müller immer wieder. Mit derselben Vehemenz verweist sie darauf, dass der Text beim ersten Mal sitzen muss. Buchseiten können zurückgeblättert werden, die Filmszenen laufen weiter. Das heißt aber auch, dass sich die Autoren schon im Vorfeld darüber klar sein müssen, was sie vermitteln wollen. Und das bedeutet Arbeit. Viel Arbeit sogar. Eine gute Recherche gehört dazu. Eine Hauptaussage dient als „roter Faden“ durch den Film. Die Informationen dürfen nicht überfrachten. Wie so oft heißt es auch hier: Weniger ist mehr. Das gilt ganz besonders für den Text. Ist er für Experten oder Laien gedacht? Kann ich Fachwörter einsetzen oder muss ich „übersetzen“? Und immer wieder: Nicht beschreiben, sondern Geschichten erzählen. Das nimmt mit auf die Gefühlsebene.
An Beispielen fehlt es im Verlauf des Seminartages nicht. Antje K. Müller schöpft aus dem Vollen, warnt immer wieder vor zu vielen Zahlen und zu langen Sätzen. Sie nimmt manchen vermutlich die Angst vor Interviews, macht Mut dazu, O-Töne zu kürzen. Natürlich erinnert sie auch daran, beim Formulieren der Texte Stolperfallen für die Sprecher zu vermeiden. Denen gibt sie Tipps zum Sprechen, kippt mit ihnen das Becken, macht Atemübungen und lässt schwere Zungen leichter werden.
Auch hier nimmt uns die Fachfrau mit. Und anstatt sie zum Abschluss noch einmal mit einem Schachtelsatz zu plagen, ganz kurz die Information: Es soll eine weitere Auflage dieses Seminars geben für das südliche Einzugsgebiet des Landesverbandes. Der Vorsitzende Walter Reichhart lädt schon jetzt dazu ein, vergisst aber auch nicht, sich bei Antje K. Müller für den lohnenden Tag zu bedanken. Die Teilnehmer in Kornwestheim unterstreichen das mit herzlichem Applaus. Ohne Schachtelsatz.
Barbara Ibsch